"Müssen uns doch selbst in den Hintern beißen!"
Bundestrainer Marc Herbert mit einer ersten WM-Analyse im hockey.de-Interview
Mit Platz sechs blieben die deutschen Juniorinnen bei der WM in Boston deutlich hinter den Erwartungen – auch ihren eigenen – zurück. Als amtierender Europameister war die Mannschaft von Bundestrainer Marc Herbert mit Medaillen-Ambitionen in die USA geflogen. Doch trotz zum Teil sehenswerter Leistungen blieben ab Zwischenrundenbeginn die Siege aus. Nach zwei Remis gegen Neuseeland und China war die 0:1-Niederlage gegen den späteren Weltmeister Holland das Ende aller Titelträume. Im Interview mit hockey.de gibt der Bundestrainer eine erste Analyse ab.
Nach der Vorrunde hat Ihr Team nicht mehr gewonnen. Woran lag’s?
Herbert: „Letztlich an der mangelnden Konsequenz. Ohne Frage haben wir zum Beispiel gegen Neuseeland oder China in der Zwischenrunde gute Spiele abgeliefert. Aber leider haben wir da auch immer wieder in Pressingsituationen aus der Abwehr nicht klar genug rausgespielt. Und vorn haben wir die Chancen – und wir hatten so unendlich viele – nicht konsequent genutzt. Gegen Neuseeland und China mussten wir einfach gewinnen. Was da am leeren Tor vorbei oder gegen den Pfosten ging, auf der Linie noch weggekratzt wurde oder auch einfach von den Schiedsrichtern nicht gegeben wurde, ist unglaublich. Die Schiedsrichter waren sicherlich ein eigenes Kapitel bei dieser WM, aber darauf will ich nicht eingehen – letztlich müssen wir es uns selbst ankreiden, dass wir es nicht ins Halbfinale geschafft haben. Es fehlte in heißen Phasen im Match oft der kühle Kopf, um in entscheidenden Momenten klar zu verteidigen.“
Im Frühjahr hat Ihr Team alles geschlagen, was ihm in den Weg kam. War die Mannschaft vielleicht zu früh zu gut in Form?
Herbert: „Nein, das denke ich nicht! Die Gegner im Frühjahr waren einfach noch nicht so stark. Das sieht man zum Beispiel an den USA, die hier ja weit abgeschlagen landeten. Aber selbst da hatten wir schon Probleme mit der Konstanz und Konzentration, die wir gegen die Gegner aber noch kompensieren konnten. Letztlich haben wir hier ganz starke spielerische Leistungen gezeigt. Selbst beim 2:5 im Platzierungsspiel gegen Australien waren wir spielerisch klar überlegen – das glaubt einem hinterher ja keiner mehr bei dem Ergebnis. Ich kann mit der spielerischen Leistung insgesamt nicht unzufrieden sein. Die Leistung mag etwas schwankend gewesen, aber über weite Strecken des Turniers – mal vom Holland-Spiel, unserem schlechtesten, als Ausnahme abgesehen – sehr gut. Die Niederlage gegen Holland erklärt sich durch das vorherige Match gegen China, in das die Mannschaft als emotionaler Höhepunkt alles hineingelegt hat, um vorzeitig das Halbfinale zu erreichen und dann durch dumme Fehler kurz vor Ende noch das 1:2 und 2:2 zu bekommen. Dadurch hatten wir gegen Holland dann doch das Endspiel, das keiner wollte.“
Letztes Jahr wurden Sie mit fast demselben Team Europameister. Wo war der Unterschied?
Herbert: „Na ja, da fehlen ja schon sechs Spielerinnen. Mit Katharina Otte, die ja jetzt im Damenkader schon eine gute Rolle spielt und Sabine Markert fehlen einige sehr wichtige Kräfte. Sabine war die Art Abwehrchefin, die wir bei der WM so nicht hatten. Luisa Steindor und Hannah Krüger haben sich als Führungsspielerinnen sehr reingehängt. Aber Pia Grambusch zum Beispiel ist mit knapp 18 Jahren einfach auch noch sehr, sehr jung – das darf man nicht vergessen. Man hat gemerkt, dass in dieser Mannschaft noch keine eine solche Belastung von sechs Spielen innerhalb neun Tagen absolviert hatte.“
Von der U21-WM 2001 kam der damalige Bundestrainer Heino Knuf mit Platz sieben und der Erkenntnis zurück, dass das deutsche Damenhockey vor allem athletisch weit entfernt war von der Weltspitze. Fällt Ihr Fazit nun ähnlich aus?
Herbert: „Nein, wir sind absolut dran an den Top-Teams. Letztlich müssen wir uns doch in den Hintern beißen, denn die Chancen waren alle da und es lag in unserer Hand. Nur ein Tor mehr gegen Neuseeland oder China und wir wären im Halbfinale gegen England gewesen – mit durchaus reeller Endspielchance. Platz drei oder sogar das Finale wären locker drin gewesen, so ist es am Ende nur Platz sechs. Worüber wir uns Gedanken machen müssen, ist die Spielweise, die im Moment international erfolgreicher zu sein scheint. Okay, die Niederländerinnen spielen ihren typischen Stiefel durch, aber viele andere Nationen verzichten komplett auf eine gepflegte Spieleröffnung, um die wir uns immer noch bemühen, sondern dreschen die Kugel einfach nur nach vorn. darüber müssen wir uns Gedanken machen. Aber da spielen dann auch die Analysen von Ulrich Forstner von der Junioren-WM und die Erkenntnisse von Michael Behrmann zu den kommenden Damen-Highlights eine Rolle.“
Wird der jetzige Kader auch die Europameisterschaft 2010 bestreiten?
Herbert: „Also, sechs Spielerinnen (Karoline Amm, Anke Brockmann, Lisa Hapke, Hannah Krüger, Kim Platten und Inga Stöckel, d. Red.) fallen aus Altersgründen raus. Zudem plant Michael Behrmann, eventuell auch schon einige der jüngeren Spielerinnen mit zum erweiterten Damenkader hinzu zu nehmen. Wir müssen das im Herbst in der Trainerklausur also alles in Ruhe besprechen und abstimmen. Um an die EM im nächsten Jahr zu denken, ist es jetzt noch ein wenig zu früh.“
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